Zusammenfassung
Die Stadt Kaltenkirchen hat einen Entwurf eines Kälte- und Wärmeplans vorgelegt. Grundsätzlich begrüßen wir Grüne Kaltenkirchen&Umland sehr, dass es die Pflicht zu Kälte- und Wärmeplänen gibt und Kaltenkirchen sich auf den Weg gemacht hat. Erst hierdurch werden die Gemeinden dazu gebracht sich ernsthaft damit auseinandersetzen zu müssen wie die Transformation zur klimaneutralen Wärmeversorgung bis 2040 erfolgen kann.
Kritisch sehen wir, dass die Annahmen für die Wirtschaftlichkeitsberechnung von Großwärmepumpen im Vergleich zu dezentralen Lösungen im Gutachten nicht transparent gemacht wurden. Auch wurden viele mögliche Lösungen, wie Wärmespeicher, Windenergieanlagen, oder Tiefengeothermie nicht ernsthaft weiterverfolgt, noch begründet, warum sie verworfen wurden. Dass gerade die Kombination von Windenergie, Großwärmepumpen und Wärmespeichern eine sehr wirtschaftliche ist, zeigen viele Projekte in Dänemark deutlich.
Kritisch sehen wir, dass im Gutachten keine sozialverträgliche Strategie für den Rückbau des Gasnetzes aufgezeigt wird. Dies insbesondere vor dem Hintergrund steigender Grundgebühren, die einkommensschwache Haushalte unverhältnismäßig belasten werden. Hier sollte eine gestaffelte Umstellung sowie eine Härtefallregelung vorgesehen werden.
Schließlich sollte die Stadt ausgehend von dem Gutachten eine Bestandsanalyse der Stromnetze vornehmen, bei einer PV-Anlage eine Bürgerbeteiligung vorsehen, und regelmäßig einen „Tag der offenen Heizungskeller“ initiieren, um die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und für noch mehr Akzeptanz zu sorgen.
Ausführliche Stellungnahme
Die Grünen Kaltenkirchen&Umland nehmen hiermit die Möglichkeit wahr zum Entwurf der kommunalen Kälte- und Wärmeplanung für die Stadt Kaltenkirchen Stellung zu nehmen.
Zunächst begrüße ich außerordentlich, dass es die flächendeckende Verpflichtung zur Erstellung derartiger Pläne gibt, und dass Kaltenkirchen dieser Verpflichtung sehr rechtzeitig und ernsthaft nachkommt! Nachfolgend gehe ich unter Angabe der Seitenzahlen auf einzelne Textstellen der „Kommunalen Kälte- und Wärmeplanung für die Stadt Kaltenkirchen“ ein, wobei ich mich auf die ins Netz gestellte Fassung Version 2 vom 25.08.2025 beziehe.
Eine kürzere Zusammenfassung findet sich hier (PDF zum Download), erstellt von der Stadt Kaltenkirchen anlässlich der Präsentation des Entwurfs am 17.09.2025.
Auf Seite 26 werden die Wärmeliniendichten als maßgebliche Kennzahl beschrieben. Dazu wird ausgeführt, dass ab 3,0 MWh/m ein Wärmenetz empfohlen wird. Welche Randbedingungen – auch wirtschaftliche – wurden für Großwärmepumpen einerseits und für dezentrale Wärmepumpen (WP) andererseits angenommen, damit sich die Werte für die Wärmedichtelinien ergeben? Neueste Entwicklungen bei den WP zeigen, dass selbst schlecht gedämmte Bestandsgebäude ohne Flächenheizungen mit einer Jahresarbeitszahl (JAZ) von 3,0 beheizt werden können. Großwärmepumpen können aufgrund der nicht zu berücksichtigenden Gleichzeitigkeit des maximal benötigten Wärmebedarfs wahrscheinlich kleiner ausfallen und das Aggregat wird pro kWh bei zunehmender Größe günstiger. Dem gegenüber stehen die Leitungswärmeverluste und umfangreiche Straßenbaumaßnahmen. Fraglos kann die Transformation durch Wärmenetze schneller vollzogen werden, aber ist sie auch wirtschaftlicher? Von der IB.SH habe ich Zahlen gehört, die davon ausgehen, dass sich neue Wärmenetze nicht unter 20 ct/kWh Wärme realisieren ließen. Bei einer Jahresarbeitszahl (JAZ) von 3,0 müsste der Strompreis also über 60 ct/kWh liegen, was nicht der Fall ist.
Das Gutachten sollte transparent machen, welche Annahmen den für neue Wärmenetze als wirtschaftlich angesehenen Wärmeliniendichten zugrunde liegen und zwar sowohl für den wirtschaftlichen Betrieb der Großwärmepumpe als auch für die gegenübergestellte dezentrale Wärmepumpe (WP).
Auf Seite 48 wird die Möglichkeit der Tiefengeothermie mit dem Hinweis auf das bestehende Risiko eines Totalverlustes der Investitionskosten nicht weiter verfolgt. Tatsächlich wurde von der letzten Bundesregierung für genau solche Gemeinden wie unsere eine Fündigkeitsabsicherung eingeführt und soll auch unter der neuen Bundesregierung weiter geführt werden. Siehe auch: Fündigkeitsversicherung mildert finanzielle Risiken und Fündigkeitsversicherung soll Risiken für Kommunen und Stadtwerke mindern
Unter Berücksichtigung der Fündigkeitsabsicherung sollte die Option zur Tiefengeothermie noch einmal ernsthaft geprüft werden, stellt sie doch eine Möglichkeit dar dauerhaft und sicher mit klimaneutraler Energie versorgt zu werden.
Auf Seite 61 wird in Abbildung 36 eine Potenzialfläche für Photovoltaikanlagen ausgewiesen. Wie ausgeführt, hat Strom den Vorteil vielseitig genutzt werden zu können und ist insbesondere in Kombination mit günstig gewordenen Batteriespeichern eine effektive und kostengünstige Möglichkeit. Dabei bietet es sich an eine derartige Freiflächenanlage als Bürger-PV-Anlage vorzusehen, damit die Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende aktiv partizipieren können. Siehe auch: Photovoltaik-Freiflächen-Anlagen in Bürgerhand.
Hier sollte das Gutachten anhand eines best-practice-Beispiels der Stadt Handlungsanleitungen an die Hand geben, wie eine entsprechende Umsetzung gut gelingen kann.
Auf Seite 62 wird die Aufstellung von Windenergieanlagen (WEA) in den bestehenden Potenzialflächen ohne Angabe von Gründen nicht weiter verfolgt. Die Stromerzeugung einer einzigen WEA entspricht etwa der Menge, die durch die bislang insgesamt in Kaltenkirchen installierten PV-Module erzeugt werden. Hinzu kommt, dass WEA besonders im Winter und also zu Zeiten, in denen die Wärmepumpen (WP) besonders viel Strom benötigen, Strom erzeugen. Damit sind WEA im Zusammenhang mit der Wärmewende besonders vorzugswürdig.
Das Gutachten sollte herausarbeiten wie viele WEA unter Berücksichtigung einzuhaltender Abstände in den Potenzialflächen errichtet werden könnten.
Auf Seite 62 werden die unterschiedlichen Wärmespeicher vorgestellt, ohne dass hier eine Einschätzung für die Stadt Kaltenkirchen vorgenommen wird. Wie viele Beispiele aus Dänemark zeigen ist die Kombination aus Windkraft, Solarthermie, Wärmespeicher und Nahwärmenetz besonders kostengünstig. Da das Gutachten im Kern eine Ausweitung der Wärmenetze vorschlägt, die mittels Luft-Wasser-Großwärmepumpen beheizt werden sollen, erscheint die Notwendigkeit von Wärmespeichern besonders erforderlich. Dies umso mehr als der Anfall der Windkraft stark schwankend ist. Durch Wärmespeicher ließen sich nicht nur die Stromnetze stabilisieren, sondern zudem könnten die WP bevorzugt dann laufen, wenn sehr viel erneuerbarer Strom im Netz ist und die Preise niedrig sind. Saisonale Speicher sind sicher nicht nötig, da der Windstrom gerade im Winter anfällt, so dass deutlich kürzere Speicherzeiten und also kleinere Volumina ausreichend wären.
Das Gutachten sollte herausarbeiten welche der aufgelisteten Wärmespeicher für Kaltenkirchen vorzugswürdig ist. Außerdem sollte hier eine Abschätzung vorgenommen werden welche Dimensionen diese Wärmespeicher haben müssten um unter Berücksichtigung der stark schwankenden Strompreise an der Leipziger Strombörse auch wirtschaftlich zu einer vernünftigen Auslegung zu kommen.
Auf Seite 103 wird in der Abbildung 58 dargestellt wie die Anzahl der Anschlüsse der Häuser ans Gasnetz abnehmen wird. Hier sind gerade für den letzten Übergang Überlegungen anzustellen, wie dies sozial abgefedert wird, damit die Grundgebühren für die verbleibenden Bezieher nicht unbezahlbar werden.
Das Gutachten sollte Ideen aufzeigen, wie bei zuletzt immer weniger Häusern, die an das Gasnetz angeschlossen sein werden, unbezahlbare Grundgebühren vermieden werden können.
Neben den Fragen, die sich unmittelbar auf das Gutachten beziehen, ergeben sich daraus weitere Fragestellungen, die sicherlich den Rahmen dieses Gutachtens übersteigen. Gleichwohl sollte die Stadt die nachfolgenden Fragen klären, wenn erforderlich im Rahmen eines weiteren Gutachtens:
- Das Gutachten führt aus, dass die Gebäude Kaltenkirchens zukünftig weit überwiegend entweder dezentral mit WP oder mit Großwärmepumpen beheizt werden. Auch mit Blick auf die E-Mobilität, wird spätestens bis 2045 davon auszugehen sein, dass sowohl die Beheizung als auch die Mobilität ganz überwiegend elektrisch erfolgen wird. Hier sind, soweit noch nicht erfolgt, straßenscharfe Bestandsanalysen erforderlich, um zu ermitteln welche Stromleitungen ertüchtigt werden müssen. Der notwendige Ausbau könnte womöglich durch dezentrale Energiemanagementsysteme je Straße reduziert werden. Auch sind hierbei dezentrale Batteriespeicher zur Pufferung in die Überlegungen einzubeziehen. Womöglich kann im Einzelfall die Förderung solcher Speicher günstiger sein als die Stromleitungen zu ertüchtigen.
Die Stadt sollte eine straßenscharfe Bestandsanalyse der Stromleitungen unter Berücksichtigung der Elektrifizierung der Heizungen und Mobilität vornehmen. Die Stadt sollte Szenarien untersuchen wie sich durch dezentrale Energiemanagementsysteme, dezentrale Batteriespeicher u.a. die Ertüchtigung der Stromleitungen wirtschaftlich reduzieren lässt. - Auf Seite 128 des Gutachtens werden Anregungen für die Beratung der Bürgerinnen und Bürger gegeben, deren Häuser dezentral klimaneutral beheizt werden müssen. Dazu rege ich an, dass zusätzlich von der Stadt ein Tag des offenen Heizungskellers initiiert wird. Dies, da die Schwelle zur Beratung noch niedriger ist und man aus erster Hand aus seinem nachbarschaftlichen Umfeld fragen und beraten werden kann.
Die Stadt sollte zusätzlich zu den Vorschlägen des Gutachtens einen „Tag des offenen Heizungskellers“ initiieren, um Bürgerinnen und Bürgern, deren Häuser dezentral klimaneutral beheizt werden müssen, die Möglichkeit zu geben sich aus erster Hand im nachbarschaftlichen Umfeld zu informieren
/Martin Rücker, Sprecher OV Kaltenkirchen&Umland